"Verfassungswidrig!"

Sozialhilfe neu – Experte macht Hammer-Aussage dazu

Bund und Länder beraten über eine einheitliche Sozialhilfe in Österreich – der Weg dorthin ist aber noch lang und umstritten. Ein Experte ordnet ein.
André Wilding
26.09.2025, 09:09
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Vertreter von Bund und Ländern sind am Donnerstag im Sozialministerium zu einer "Auftaktsitzung" zur geplanten Reform der Sozialhilfe zusammengekommen. Thema waren dabei verfassungsrechtliche Fragen, die im Vorfeld zu Unstimmigkeiten geführt hatten.

Ziel ist eine bundesweite Vereinheitlichung der derzeit unterschiedlichen Regelungen bis Anfang 2027. Neben Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) nahmen die Sozialsprecher von ÖVP und NEOS sowie Vertreter der Bundesländer teil.

"Die rechtlichen Nebel haben sich gelichtet"

Beim Auftakttermin wurden vor allem rechtliche Fragen geklärt, die zuletzt für Wirbel gesorgt hatten. "Die rechtlichen Nebel haben sich gelichtet", erklärte der oberösterreichische Landesrat Christian Dörfel (ÖVP) zur APA. Die umstrittene Wartefrist für Österreicher sei "vom Tisch".

SPÖ und ÖVP zeigten sich nach dem Treffen jedenfalls zuversichtlich. "Es war ein mehr als guter Start", meinte Wiens Soziallandesrat Peter Hacker. Für die Tiroler Landesrätin Eva Pawlata ist die Reform wichtig, aber mit Blick auf die hohen Lebenshaltungskosten in Tirol sei "ein einheitliches Leistungsniveau schwer vorstellbar".

"Fahre ziemlich ratlos zurück"

Kritisch äußerte sich hingegen der steirische FPÖ-Landesrat Hannes Amesbauer: "Ich fahre ziemlich ratlos zurück." Er forderte, das steirische Modell – mit strengeren Regeln – müsse Vorbild sein, nicht das "Großzügigkeitsmodell" aus Wien.

Auch aus Niederösterreich kamen klare Worte: Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) betonte, dass Sozialhilfe ein Anreiz zur Eigenleistung bleiben müsse. Wer Jobangebote, Ausbildung oder Deutschkurse ablehne, müsse mit Kürzungen rechnen.

Pauschale Regelung "verfassungswidrig"

Fest steht jedenfalls: bei der geplanten Sozialhilfereform in Österreich sind noch immer viele Fragen offen – und einige davon hat am Freitag der Verfassungsjurist Peter Bußjäger im Ö1-Morgenjournal beantwortet. Und gleich bei der ersten Frage sprach Bußjäger ein Machtwort:

"Darf der Staat Menschen, die hier vorerst nur 'asylberechtigt' sind, den Zugang zur vollen Sozialhilfe anders regeln, als für alle anderen und an eine Integrationsphase knüpfen?

Dazu Bußjäger: "Jedenfalls nicht pauschal, würde ich sagen! Es kann im Einzelfall differenziert werden, meines Erachtens. Dahingehend, ob jemand konkret integrationsbereit ist, bestimmte Leistungen dafür auch erbringt oder eben nicht. Allerdings pauschal von vornherein zu sagen, sämtliche Personen, die asylberechtigt sind, erhalten weniger Sozialhilfe als Österreicher halte ich, wie der Verfassungsdienst, für verfassungswidrig."

"Erachte ich als kritisch"

Bedeutet: Die von der Regierung geplante dreijährige Integrationsphase werde laut dem Experten so nicht möglich sein. "Erachte ich zumindest als kritisch", so der Experte. "Ob der Verfassungsgerichtshof eine andere Meinung vertritt, lässt sich vorn vornherein nicht immer prognostizieren. Aber, wenn ich mir seine bisherige Judikatur in die den Fragen ansehe, dann komme ich zu diesem Ergebnis, dass eine solche pauschale Regelung verfassungswidrig wäre."

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Auf die Frage, ob es überhaupt Umstände und dann auch eine Formulierung gibt, worunter eine solche Integrationsphase mit weniger Geld rechtlich gedeckt sein könnte, antwortete der Experte im Ö1-Morgenjournal: "Aus meiner Sicht ist das jedenfalls schwierig zu bewerkstelligen. Es müsste jedenfalls eine solche Prüfung im Einzelfall möglich sein und eine solche Prüfung im Einzelfall, die verursacht einen erheblichen Aufwand, sodass sich allfällige Einsparungen, die man aus dieser Integrationsphase bzw. der gekürzten Sozialhilfe erzielen würde, dann wieder durch zusätzlichen Verwaltungsaufwand vermutlich mehr als aufgewogen würde."

Angesprochen auf die geplante Staffelung bei Kindern stellt Bußjäger klar: "Prinzipiell ist eine degressive Sozialhilfe, das heißt die Leistung, die jemand für die Kinder bezieht, die dahingehend abgestuft wird, dass für jedes zusätzliche Kind ein geringerer Betrag ausbezahlt wird, das ist vom Verfassungsgerichtshof im Grundsatz schon anerkannt worden. Was nicht geht, ist zu sagen, die Sozialhilfe ab einer bestimmten Kinderzahl nicht mehr weiter zu erhöhen. Das wäre verfassungswidrig. Aber prinzipiell ist eine Abstufung schon möglich."

"Das könnte ein Problem werden"

Die "Sozialhilfe neu" soll bekanntlich insgesamt vereinheitlicht und bundesweit gleich sein. Doch ist das auch wirklich zulässig, wenn die Lebenserhaltungskosten, wie etwa Wohnen, in Salzburg höher sind als etwa in Linz? "Das könnte meines Erachtens ein Problem werden", so Bußjäger am Freitag im ORF-Radio. "Das ist ja auch, wenn man das so sagen will, die Weisheit des Verfassungsgesetzgebers vor über 100 Jahren, der die Sozialhilfe als eine Grundsatzgesetzgebung des Bundes vorgesehen hat und eine Ausführungsgesetzgebung der Länder. Und wahrscheinlich auch daran gedacht hat, dass der Bund eben nur die Grundsätze vorgeben soll, Mindestsätze vielleicht, und das abhängig von den konkreten Bedürfnissen vor Ort weitere Leistungen erbracht werden können.

Und weiter: "Wenn man nun die Sozialhilfe vereinheitlichen will, das heißt Leistungen über das ganze Bundesgebiet vereinheitlichen will, dann hat man natürlich das Problem, dass möglicherweise Wohnungskosten, die in Innsbruck oder Salzburg deutlich höher sein mögen, als in einem anderen Ort, dass die in dem Sinn nicht abgegolten werden. Freilich, man kann auch bei einer einheitlichen Regelung auf solche besonderen Situationen Rücksicht nehmen. Das wird die Herausforderung in dieser sogenannten einheitlichen Regelung sein.

{title && {title} } wil, {title && {title} } Akt. 26.09.2025, 11:22, 26.09.2025, 09:09
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